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Die Kritiker: «Marie Brandt und die falschen Freunde»

Das ZDF zeigt am Mittwochabend einen passablen Krimi - wer aber ein paar Extras haben möchte, muss diese dazu kaufen.

Cast & Crew

  • Regie: Isabel Prahl
  • Musik: Florian Tessloff, Sven Rossenbach
  • Schnitt: Daniel Scheuch
  • Redakteur: Wolfgang Feindt
  • Darsteller: Mariele Millowitsch, Hinnerk Schönemann, Thimas Heinze, Golo Euler, Klaus Zmorek, Angela Roy, Christian Erdt, Karen Dahmen, Christian Kuchenbuch, Jan Niklas Berg, Jean-Luc Bubert, Hendrik Baumann
Zwei Schläge. Und das war es. Malte Angersbach haucht sein Leben irgendwo am Rheinufer bei Köln aus. Gerade noch hat ihn sein Vater als seinen Nachfolger der Baufirma eingesetzt - und im nächsten Moment ist die Karriere auch schon wieder beendet. Wer es auf den jungen Geschäftsmann wohl abgesehen haben mag?

Seit 2008 stellt Mariele Millowitsch die Kölner Mordermittlerin Marie Brandt nun schon fürs ZDF dar. «Marie Brandt und die falschen Freunde» lautet der Titel ihres nunmehr 27sten Falles im Auftrag der Lerchenberger. Und es ist ein Dienst nach Vorschrift, dem die Ermittlerin und ihr Kollege Jürgen Simmel (Hinnerk Schönemann) in diesem Fall nachgehen. Brav etabliert die Geschichte ihre Figuren, die nach und nach durchaus alle in den Fokus der Ermittelnden geraten – und irgendwann ist der Krimi dann auch schon wieder vorbei. Ohne großartige Höhen. Aber auch ohne Tiefen.

Da ist also eine Leiche. Malte Angersbach wurde erschlagen. Für Jürgen Simmel hat die Geschichte eine persönliche Note. Er kennt Malte. Zwar nur flüchtig, dessen Stiefbruder Kai war allerdings mal ein guter Freund Simmels. Beide waren in einem Ruderclub. Es gab keinen Zwist oder andere Streitereien. Dennoch hat Jürgen irgendwann den Kontakt abgebrochen. Einfach so.

Das Wiedersehen zwischen Jürgen und Kai verläuft kühl. Nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, dass Kai ein Tatverdächtiger ist. Nicht nur zu seinem alten Freund Jürgen hat Kai den Kontakt abgebrochen. Auch gegenüber seiner Mutter herrschte eine gewisse Eiszeit. Bis sie vor wenigen Tagen ihren Geburtstag feierte, zu dem auch Kai erschien. Eingeladen von Malte. Jedoch nicht, um zu versöhnen, was zusammengehört. Nein, auf diesem denkwürdigen Geburtstag teilte Firmenchef Borris Angersbach der versammelten Gästeschar mir, er würde sich in Zukunft mehr in der Politik engagieren und aus diesem Grund die Geschicke der Firma seinem Sohn Malte übergeben. Was nicht nur Kai erzürnte, sondern auch seine Mutter Louise, hatte Borris dies mit ihr doch nicht abgesprochen.

Ja, Kai hat sicher ein Motiv.

Doch auch seine Mutter könnte durchaus einen gewissen Brass auf ihren Stiefsohn gehegt haben, denn sie ist die wohlhabende Erbin, ihr gehört das Unternehmen, über das Borris herrscht; wenn der also seinen Sohn, den er mit in die Ehe brachte, dem Erben von Mutter Louise bevorzugt...

Falsches Alibi


Der erste Verdacht fällt natürlich auf Kai. Er hätte ein Motiv gehabt, Malte zu ermorden. So wird Daniel eingeführt, ebenfalls ein Ruderer und früher Freund von Jürgen, der heute mit Kai eng zusammenarbeitet. Tatsächlich ist Kai auch ohne elterliche Unterstützung im Baugewerbe tätig. Allerdings in einem viel kleineren Umfang, dafür mit Überzeugungen. Wo Borris Steine aufeinander setzt, um mit ihnen möglichst viel Geld zu verdienen, agiert Kai mit einem ganzheitlichen Ansatz und möchte etwas erschaffen, in dem sich Menschen wirklich wohlfühlen. Es wird schnell offensichtlich, warum Borris und Kai keine Freunde sein können. Wenn Kai aber, wie er beteuert, mit dem Ableben seines Stiefbruders nichts zu tun hat, warum muss ihm Daniel dann für die Tatzeit ein falsches Alibi verpassen?

Nun, wenn recht früh klar wird, dass der Hauptverdächtige ein falsches Alibi erhalten hat, weiß der Kriminalfilm affine Zuschauer natürlich, dass die Geschichte so einfach nicht sein kann. Also folgt die Einführung weiterer Charaktere. Da gibt es einen seltsamen Kerl, der offenbar mit Louise Angersbach in Verbindung steht. Oder da ist Maja, Daniels Freundin, die ein Tablettenproblem plagt. Dass diese Sucht nicht zufällig erwähnt wird, hat seine Gründe.

Schließlich ist da noch ein 500-Euro-Schein, der in einer Kölner Kneipe auftaucht und der offenbar Maltes Interesse geweckt hat. Jedoch: Was interessiert einen Millionärssohn, der fett im Kölner Baugewerbe steckt, ein einzelner 500-Euro-Schein?

Eine dieser Figuren wird also den Holzpfosten in Händen gehalten haben, welcher Malte Angersbachs Leben frühzeitig beendet hat. Zu bemängeln ist das alles nicht. Die Geschichte hat einen Anfang, eine Mitte und ein Ende. In dieser Reihenfolge. Die Figuren sind praktikabel gezeichnet. Besondere Tiefe darf man nicht erwarten, sie alle erfüllen ihre Aufgaben im Mörderspiel. Was allerdings auch schade ist. Brüche oder echte Überraschungen bleiben in den Figurenzeichnungen fast vollständig aus. Fast, da es sehr wohl eine Wendung gibt, die zumindest eine der Figuren irgendwann in einem anderen Licht erscheinen lässt. Der Arbeitstitel dieses Falles hat diese Wendung übrigens im Titel enthalten. Es war eine kluge Entscheidung, diesen Film umzubenennen. Der Titel soll daher auch an dieser Stelle nicht genannt werden.

Ebenso, wie die Figuren ihre Rollen im bekannten Mörderspiel einnehmen, erlaubt sich die Dramaturgie keine Experimente. Die Ermittelnden sichern den Spuren, stellen ihre Fragen, fügen Infos zusammen, kommen den Hintergründen für diesen Mord auf die Spur. Immerhin in einem Punkt bricht «Marie Brand und die falschen Freunde» ein Klischee. Sind in deutschen Kriminalfilmen Ermittlerinnen oder Ermittler durch persönliche Freundschaften oder andere Beziehungen in einen Fall involviert, neigen diese dazu, sich wie Vollidioten zu benehmen, die nicht selten in Dirty-Harry-Manier die Wahrheit aus Verdächtigen herauspressen wollen – was immer, und zwar wirklich immer, vollkommen in die Hose geht. Das passiert in diesem Film nicht. Trotz der alten Freundschaft zwischen Kai Angersbach und Jürgen Simmel – bleibt Simmel ein professionell agierender Ermittler.

Fazit: Inszenatorisch ist das ansonsten Regalware. Weder kreiert die Regie Bilder, die im Gedächtnis bleiben, noch legt sich eine Musik über die Szenerie, die für sich bestehen könnte. «Marie Brand und die falschen Freunde» ist Konsensfernsehen. Vergleichbar ist dieser Film mit einem Neuwagen, der in seiner einfachsten Version ausgeliefert wird. Die Räder drehen sich, der Motor erfüllt seinen Dienst, die Bremsen funktionieren. Sich damit zufrieden zu geben, ist nicht zu bemängeln. Wer aber ein paar Extras haben möchte, muss diese dazu kaufen. An solchen Extras wurde im Fall der «Marie Brandt und die falschen Freunde» leider weitestgehend gespart.

Das ZDF zeigt «Marie Brand und die falschen Freunde» am Mittwoch, 16. September 2020 um 20.15 Uhr.
16.09.2020 09:30 Uhr Kurz-URL: qmde.de/121403
Christian Lukas

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Marie Brandt und die falschen Freunde Marie Brand und die falschen Freunde

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