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Die Kritiker: «Die Toten vom Bodensee - Blutritt»

Es ist der elfte Fall, den das deutsch-österreichische Ermittlerduo Zeiler/Oberländer lösen muss. Obschon die beiden Mordermittler etwas früh zur Mordaufklärung gerufen werden, denn das vermeintliche Mordopfer lebt noch. Allerdings geht es der Frau, die dort am Bodenseeufer liegt, sehr schlecht. Und es ist fraglich, ob sie die anstehende Operation überleben wird.

Cast & Crew

  • Darsteller: Matthias Koeberlin (Micha Oberländer), Nora Waldstätten (Hannah Zeiler), Hary Prinz (Thomas Komlatschek), Christopher Schärf (Raphael Stadler), Jule Ronsted (Daria Roth), Marlos Boess (Oliver Störr), Melanie von Poser (Marlene Stör), Peter Knaack (Adrian Stöhr), Rafael Gareisen (Ferdinand Etlinger)
  • Regie: Michael Schneider
  • Drehbuch: Timo Berndt
  • Kamera: Matthias Pötsch
  • Schnitt: Jörg Pöschel
Marlene Stöhr (Stefanie von Poser) wirkt verwirrt. Am Rande eines Blutritts, einer Hunderte Pferde umfassenden Prozession, scheint sie etwas entdeckt zu haben. Sie macht Fotos mit ihrem Smartphone, sie weint, wirkt nervös, reitet auf ihrem Pferd gen Bodensee. Als sie endlich zu sich kommt und einen Moment verweilt, stellt sie fest, ihr Smartphone verloren zu haben. Sie flucht. Und wird von einem Stahlpfeil durchbohrt. Sie sinkt zu Boden. Ihr letzter Blick gilt ihrem Mörder – oder ihrer Mörderin? Dann ist es vorbei.

Oder auch nicht, denn die ersten Polizisten am Tatort haben zu früh einen Mord gemeldet. Das vermeintliche Mordopfer lebt noch. Aufgrund ihrer schweren Verletzungen aber muss sie in ein künstliches Koma versetzt werden, was die Arbeit für Hanna Zeiler (Nora Waldstätten) und ihren Kollegen Micha Oberländer (Matthias Koeberlin) nicht einfacher macht. Vor allem, da die ersten Polizisten am Tatort natürlich alles daran gesetzt haben, die Frau zu retten. Wobei sie mögliche Spuren zerstört haben. Zeiler und Oberländer haben demnach nur den Namen des Opfers und die seltsame „Mordwaffe“. Ansonsten haben sie nichts.

Flotter Einstieg


Im Grunde möchte «Blutritt» ein ganz klassischer Kriminalfilm sein, der seinen Fokus ganz auf die Kombinationsgabe der Ermittler richtet, die mit jeder Personenbefragung der Aufklärung ihres Falles einen Schritt näher kommen. Dabei vertrödelt «Blutritt» im ersten Akt seiner Erzählung keine Zeit und führt in schneller Reihenfolge all jene Charaktere ein, von denen einer der (erfolglose) Mörder sein muss. Oder die Mörderin. Und ihre dunklen Geheimnisse bleiben auch nicht lange geheim.

Da ist Oliver (Marlon Boess), Marlenes Sohn, der nach einem Jahr in einer nicht näher genannten Stadt nach Hause zurückgekehrt ist. Ein Zuhause, in dem man ihn für einen Brandstifter hält. Marlene hat auf dem Pferdegestüt einer Freundin gearbeitet – Olivers Patentante. Die ist beim Brand eines Stalls ums Leben gekommen. Obwohl die Ursache nicht ermittelt werden konnte, gibt das gesamte Umfeld des Hofes Oliver die Schuld. Auch er hat für das Gestüt gearbeitet. Und offenbar einen Fehler gemacht. Beweise für ein Fehlverhalten? Gibt es nicht. Und doch wird er verdächtigt. Vor allem von Ferdinand (Rafael Gareisen), dem Sohn der Verstorbenen. Ferdinand jedoch hat selbst Probleme mit seinem schwer alkoholkranken Vater (Falk Rockstroh), der über seinen Kopf hinweg sein bestes Zuchtpferd für einen Spottpreis verkauft hat. Einen Vater, der seinerseits Ferdinand die Schuld am Tod seiner Frau gibt, rannte Ferdinand doch während des Brandes in den Stall, um die Pferde zu retten. Seine Mutter folgte ihm - und kam nicht wieder hinaus. Olivers Vater (Peter Knaack) scheint derweil vom Anschlag auf Marlene wie paralysiert. Seit einem Jahr sind die beiden getrennt, Marlene hat ihn betrogen. Dennoch wirkt sein Verhalten seltsam. Was nicht verwundert. Er und Marlene waren beziehungsweise sind Mitglieder einer streng protestantischen, sektenähnlichen Glaubensgemeinschaft, in der der Ehebruch, den eine Frau vollzieht, in erster Linie auf den Mann zurückfällt, der seinen Haushalt nicht im Griff hat. So befindet sich Olivers Vater Adrian in einem inneren Asyl, das es ihm verbietet, seine sterbende Frau aufzusuchen.

Und dann doch nur bleierne Langweile


Hach, das alles könnte so schön sein. Ein Brand, dessen Ursachen nie geklärt wurden. Verdächtigungen. Betrug. Dabei ist Marlene die Verbindung zwischen all den handelnden Figuren. Sie ist eine Ehebrecherin, sie ist die Mutter eines vermuteten Brandstifters, sie ist die Frau, die auf dem Blutritt offenbar etwas gesehen hat, was sie nicht hätte sehen sollen. Ja, der erste Akt macht Lust auf mehr.

Der Tritt auf die Bremse


Leider tritt die Inszenierung dieses Bodenseekrimis am Ende dieses ersten Aktes derart brutal auf die Bremse, dass die gesamte Inszenierung zum Stillstand kommt – und sämtliche Versuche, den Motor wieder zum Laufen zu bringen, im Ansatz abgewürgt werden. So wird irgendeine Art von Spannung gar nicht erst (wieder) aufgebaut. Wie weiland Stefan Derrick besuchen die Ermittler fortan brav jene Personen, die Marlene nahe standen (beziehungsweise ihr nahe stehen), führen ihre Gespräche, stellen hier und da mal eine Mutmaßung an… Nur spannend ist das nicht. Was auch mit den Figuren zusammenhängt, die einfach viel zu hölzern gezeichnet sind. Keine der handelnden Figuren entwickelt so etwas wie eine eigene Persönlichkeit. Man könnte auch darauf verzichten, ihnen Namen zu geben und sie einfach „der Sohn“, „der betrogene Ehemann“, „der Säufervater“ nennen. Keine der handelnden Figuren weist so etwas wie Widersprüchlichkeiten auf, sie sind das, als was sie in die Geschichte eingeführt werden. Der erste Eindruck wird auch der letzte bleiben.
So plätschert die Story vor sich hin.

Und es wird geredet.

Ergibt sich aus einem Gespräch mit Person A ein Verdacht gegen eine Person B, wird die Person B mit dem Verdacht konfrontiert. Woraufhin man, ganz genau, wieder redet. Und eine Person C zu den Äußerungen der Person B befragt. So entpuppt sich der flotte Einstieg in die Story als eine riesige Mogelpackung, tatsächlich findet das folgende Geschehen auf dem Bildschirm bestenfalls auf dem Niveau einer ZDF-Vorabendkrimiserie statt, nur mit dem Unterschied, dass so eine Vorabendserie 45 Minuten zum Erzählen einer Geschichte zur Verfügung stehen, was die Regisseure zwingt, das szenische Geschehen straff zu takten. «Blutritt» schlägt mit 88 Minuten Laufzeit zu Buche. Viel zu viel, denn sie offenbaren gnadenlos die Schwächen der Produktion, zu denen neben den Holzschnitt-Charakteren auch die Bildgestaltung zählt. Ungewöhnliche Perspektiven, Kamerafahrten? Nichts von alledem geschieht. So findet keine Inszenierung des Gestütes als Dreh- und Angelpunkt der Geschichte statt, obschon schon der Titel «Blutritt» explizit darauf hinweist, dass Pferde in der Story durchaus eine prominente Rolle spielen. Es wäre demnach durchaus sinnvoll, diesen Ort in besonderer Weise – zu inszenieren. Stattdessen wirkt das Gestüt wie eine Pferdeverwahranstalt. Die Faszination, die von den Tieren ausgeht (und Ferdinand zum Beispiel dazu veranlasste, sein eigenes Leben zu riskieren, um die Pferde beim Brand zu retten), erschließt sich nicht. Der Tiefpunkt der Lieblosigkeit sind schließlich jene Szenen, die in dem Krankenhaus spielen, in dem Marlene um ihr Leben kämpft. Die gesamte Szenerie wirkt als habe man ein paar Wände aus der Kulissenabteilung „Klinik“ auf eine Bühne gestellt, ein paar Geräte, die hübsch blinken, im Raum drapiert und Marlene-Darstellerin Stefanie von Poser gebeten, möglichst flach zu atmen.

Privatleben saugt Krimizeit


Und dann sind da natürlich wieder die privaten Probleme der Ermittelnden. Im Gegensatz zu Stefan Derrick, der ausschließlich mit seinem Beruf verheiratet war und sein Privatleben ganz seiner Arbeit unterordnete, haben seine televisionären Nachfolger inzwischen ein Zuviel an Privatleben. So starb Kommissar Oberländers Ex-Frau Kim im neunten Spielfilm im Oktober 2019 bei einem Autounfall, bei dem ihr Lebensgefährte Moritz Schlägel (Raphael von Bargen) am Steuer saß. Also gibt es einiges an Konflikten mit eben jenem Moritz in diesem Film (zu bereden). Und die bindungsunfähige Hannah Zeiler (gab es eigentlich je eine bindungsfähige Kommissarin, Psychologin, Profilerin?) hadert mit ihrem jetzigen Freund, der offenbar nicht ganz das ist, was er vorgibt zu sein. Das Problem: Beide Handlungssegmente, der Kriminalfall und die privaten Problemchen, finden unabhängig voneinander - ohne Berührungspunkte statt. Wie soll in einem solch anorganischen Gebilde so etwas wie Spannung entstehen können, wenn letztlich nur Handlungssegmente aneinandergereiht werden?

Versöhnlich unversöhnlich


Dass dann, dieser Spoiler darf sein, im Rahmen einer privaten Geschichte auch noch ein Cliffhanger zum nächsten Film aufgebaut wird, mag gut gemeint sein, man möchte den Ermittlerfiguren schließlich eine Persönlichkeit verleihen, die über die Einzelfilme hinausreicht. Nur ob sich im Frühjahr 2021, wenn der nächste Film voraussichtlich ausgestrahlt werden soll, noch jemand an das Ende dieses Filmes erinnern wird? Eines Fernsehfilmes, der immerhin mit einer etwas überraschenden Wendung zum Ende hin zumindest einen dramatischen Showdown einleitet, den man so wirklich nicht kommen sieht. Dieses Ende versöhnlich nennen zu wollen, wäre allerdings übertrieben. Dafür plätschern die Story und ihre Inszenierung viel zu lange viel zu belanglos und spannungsfrei vor sich hin.

Sendetermin: Das ZDF zeigt «Die Roten vom Bodensee - Blutritt» am Montag, 7. September 2020 um 20.15 Uhr.
07.09.2020 09:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/121149
Christian Lukas

super
schade


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Blutritt Die Roten vom Bodensee - Blutritt

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