►   zur Desktop-Version   ►

Serientheorie: Der Serien-Ausbruch

Serien sind nach immer gleichbleibenden Schemata aufgebaut. Dieses Mal beschäftigt sich Quotenmeter mit dem Ausbruch – aber einem völlig anderen, als Sie ihn sich vorstellen.

Es gibt nicht gerade viele Serien, in denen die Figuren aus einer bestimmten örtlichen Situation ausbrechen müssen. «Prison Break», das zwischen 2005 und 2009 für den Fernsehsender FOX produziert wurde, gehört aber – trotz des Namens – nicht zu diesem Genre. Vielmehr folgt die Serie dem Schema „Der neue in der Truppe“, denn Michael Scofield bricht in das Gefängnis ein, um seinen zum Tode verurteilten Bruder Lincoln zu befreien.

Das Genre „Serien-Ausbruch“ ist im Grunde nichts anderes als eine Art wöchentlicher Horrorfilm. Ob «Saw», «Paranormal Activity», «Scream», «Krampus», «The Visit» oder «The Purge» – diese Filme haben mehrere grundlegende Dinge gemeinsam: Die Welt ist schwarz und weiß. In diesen Blockbustern werden die „Guten“ und die „Bösen“ klar benannt. Das Monster kann ein übernatürliches Wesen, ein Tier oder – in vielen Fällen – auch nur ein Mensch sein. Neben dem Genre Horror kann die filmische Version des Ausbruchs auch andere Sparten wie Action oder Thriller, etwa in «Indiana Jones», bedienen.

Der „Serien-Ausbrecher“ schlechthin ist Der Doctor aus der Serie «Doctor Who», der seit 60 Jahren durch seine defekte Tardis in ausweglose Situationen reist. Er könnte zwar in vielen Fällen wieder wegfliegen, aber da er sich als Retter des Universums sieht, gerät er jedes Mal aufs Neue in eine Falle, aus der er wieder entkommen muss.

Im Gegensatz zu Filmen kann der „Gute“ in einer „Ausbruchsserie“ kein netter Typ sein, der sich irgendwie aus der verfahrenen Situation herauswindet, in die er geraten ist. Bei «Doctor Who» haben wir es mit einem Alleskönner zu tun, der tolle Reden hält, verhandeln kann – und sich verteidigt, wenn auch ohne Waffen. Das ist das Kryptonit des Doctors und wird zur großen Angriffsfläche. Uns Zuschauern ist klar, dass die Hauptfigur bei einer solchen Serie mit fortlaufender Handlung ihr Leben teilweise mit hanebüchenen Storylines rettet. Aber es ist uns egal. Wir wollen den Doctor siegen sehen!

Ähnliche Hauptfiguren sind «24»-Agent Jack Bauer, der nie schläft und mehrfach tagelang Folge für Folge sein Leben und das der anderen rettete, oder Cord Walker (Chuck Norris) und Angus MacGyver (Richard Dean Anderson): große Superhelden, die die Serienlandschaft maßgeblich veränderten. Von diesen Figuren erwarten wir Außergewöhnliches, und zwar in jeder Folge. Wir schätzen sie gerade wegen des Storytellings, das sie zwingt, Woche für Woche ihre Grenzen zu überwinden.

Neben dem herausstechenden Hauptcharakter, der eigentlich phänomenaler als Superman sein muss, gehört eine weitere wichtige Eigenschaft zum Genre des „Serien-Ausbruchs“: Helden wie der „Doctor“ haben eine persönliche Motivation. Der Zeitreisende hat schon viele Jahre lang auf seinem Heimatplaneten gelebt, er startete als Opa mit seiner Enkelin und traf auf fürchterliche Wesen, die das Universum zerstören wollten. Der Doctor könnte sich auch zur Ruhe setzen. Aber wer soll den Job dann machen?

Jack Bauer, die Hauptfigur aus «24», hatte in der ersten Staffel einfach einen langen Tag. Wäre seine Frau Teri nicht im Finale seiner Kollegin und (unverhofften) Terroristin Nina Myers zum Opfer gefallen, hätte sich Bauer wohl mit seiner Familie zur Ruhe gesetzt und das Leben als Anti-Terror-Agent aufgegeben. Vielleicht hätte er einen bequemen Schreibtischjob ausgefüllt. Doch das überraschende Staffelende untermauerte Bauers Glaubwürdigkeit. Der, der seine Frau verloren hat, hat ein persönliches Interesse daran, Terroristen hinter Gitter zu bringen und ihre Pläne zu vereiteln.

Der dritte und ebenfalls wichtige Baustein dieses Genres ist der begrenzte Handlungsort. Filme wie «Jurassic Park» und «Cloverfield» machen es anschaulich vor: Die Hauptdarsteller können sich nicht einfach schnell in ein Auto setzen und wegfahren. Doctor Who und seine Begleiter tappen meist in eine Falle, und verschwinden wollen und können sie nicht. CTU-Agent Jack Bauer wird zwischenzeitlich von den Behörden gesucht, und kann sich schon deshalb nicht einfach in den nächsten Bus setzen. Für die Protagonisten sind Versteckspiele und Verfolgungsjagten in diesem Genre ein wichtiges Stilmittel. Damit kommt man auch zum Höhepunkt jeder Folge, wenn sich die Akteure in den Kampf bewegen.

Für Autoren ist das Genre „Serien-Ausbruch“ eines der schwierigsten – und viele inhaltliche Negativbeispiele haben vorgemacht, dass es nicht allen Serienschöpfern gelingt, über-“natürliche“ Charaktere zu erschaffen, die aus vielen unmöglichen Situation wirklich ausbrechen können – psychologisch wie logistisch.

Hier gibt's alle Teile der Serientheorie!
12.07.2020 12:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/119578
Fabian Riedner, Julian Miller

super
schade


Artikel teilen


Tags

Serientheorie Prison Break Saw Paranormal Activity Scream Krampus The Visit The Purge Indiana Jones Doctor Who 24 Jurassic Park Cloverfield

◄   zurück zur Startseite   ◄
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel
Werbung

Qtalk-Forum » zur Desktop-Version

Impressum  |  Datenschutz und Nutzungshinweis  |  Cookie-Einstellungen  |  Newsletter