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«Defending Jacob»: Mein Sohn, der Mörder?

Trotz Star-Besetzung mit Chris Evans und Michelle Dockery mäandriert sich diese bei AppleTV+ erschienene Geschichte um einen ermordeten Jugendlichen von einem Klischee ins andere.

Cast & Crew

Produktion: Mimir Films, Mark Bomback Productions, Paramount Television Studios und Anonymous Content
Schöpfer: Mark Bomback
nach dem gleichnamigen Roman von William Landay
Darsteller: Chris Evans, Michelle Dockery, Jaeden Martell, Cherry Jones, Pablo Schreiber, Betty Gabriel, Sakina Jaffrey u.v.m.
Executive Producer: Mark Bomback, Chris Evans, Morten Tyldum, Rosalie Swedlin und Adam Shulman
Der Zeugenstand ist einfach ein zu verführerisches Motiv. Gerade wenn man einen adretten Staatsanwalt in ihn setzen kann, um zu zeigen, wie er gerade vor einer Grand Jury in die Mangel genommen wird, die anschließend entscheiden soll, ob man gegen ihn Anklage erhebt. Für diese griffige Eröffnung nimmt die neue AppleTV+-Serie auch gerne in Kauf, die Entwicklungen der ersten ein, zwei Folgen schon weitgehend vorwegzunehmen und entsprechend auf den Spannungsbogen zu drücken, der erst am Ende des Piloten den eigentlichen Konflikt etabliert: In einem Wald im gutbürgerlichen Middlesex County in Massachusetts ist ein Teenager erstochen worden – und der Sohn des Staatsanwalts im Zeugenstand ist dringend tatverdächtig.

Tote Teenager haben im amerikanischen Fernsehen schon Orte wie Twin Peaks und Riverdale in die kollektive Verzweiflung getrieben – zwei Beispiele, an denen die unterschiedlichen Spielarten deutlich werden, mit denen sich Serienmacher eines solchen Themas annehmen können: in Form einer ernsthaften künstlerischen, psychologisch dichten, philosophisch anspruchsvollen Betrachtung, oder als schmissiges bis schmieriges Junge-Leute-machen-Selbstfindung-Drama.

«Verschwiegen» will einen dritten Weg bestreiten: den einer vorsichtigen (und dabei ziemlich nichtssagenden) Entrüstung. Was? Auch hier im beschaulichen Upper-Class-Middlesex mit seinen Privatschulen, Backsteinhäusern, roten Vordertüren aus der Kolonialzeit und öffentlicher Gesundheitsversorgung gibt es Menschen, die einen High-School-Schüler abschlachten? Und dann muss man nachts im Beistelltischchen des eigenen Kindes auch noch ein Messer finden, nach dem gerade der ganze Landkreis sucht …

Auch wenn Chris Evans und Michelle Dockery mehr aus ihren Rollen herausholen als die archetypischen besorgten Eltern, die mutmaßliche Mordwerkzeuge in öffentlichen Müllbehältern entsorgen und im SUV zurück nachhause rasen, bevor der Durchsuchungsbefehl eintrifft: Diese Serie ist besoffen von ihrem Privilege, den sie nicht hinterfragt, sondern nur mit überkommenen Klischees und abgestandenen Motiven auflädt.

Der Rest der Geschichte folgt den vorhersehbaren und allzu bekannten Bahnen: Schmierige Anwälte wollen den Jungen raushauen, kommen damit aber nicht so weit, wie die Familie das gerne hätte, und das Gerede in der Nachbarschaft wird bald zum zentralen Gradmesser von persönlichem Wohl und Wehe. Doch zu all diesen Bildern, Themen und psychologischen Hintergründen hat uns «Verschwiegen» überhaupt nichts Neues zu sagen, und begnügt sich stattdessen mit einem inhaltlich primitiven Abspulen dutzendfach gesehener Versatzstücke in trister Massachusetts-Optik, deren Grau-in-Grau das Seelenleben der Protagonisten widerspiegeln soll und schon damit vollends überfrachtet wurde. Die Wälder von Twin Peaks bargen schon beim ersten Anblick wesentlich spannendere Geheimnisse.

«Verschwiegen» (OT: «Defending Jacob») ist bei AppleTV+ zu sehen.
07.05.2020 12:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/118121
Julian Miller

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Verschwiegen Defending Jacob

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Kingsdale
07.05.2020 18:14 Uhr 1
Hatte etwas in Richtung "Tote Mdchen lügen nicht" oder so ähnlich erwartet. Was aber bekommt ist eine Schlaftablette die man auch genauso gut in einen Film hätte zeigen können. Da sieht man mal wieder, dass gute Darsteller noch lange keinen guten Film bzw. Serie machen können. Es ist wirklich eine Zeitverschwendung und auch das Ende überzeugt nicht.
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