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«Star Wars – Der Aufstieg Skywalkers», oder: Der Kompromiss Lucasfilms

Es wird nun, in einer tief, tief gespaltenen Fangemeinde: «Star Wars – Der Aufstieg Skywalkers» versucht, für Frieden in einer Filmreihe zu sorgen, die nach Konflikten schreit.

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«Plan 9 aus dem Weltall», oder: Wartet, wartet, wir haben hier noch fünf Sekunden Filmmaterial!


Während der Produktion des berühmt-berüchtigten Sci-Fi-Murksfilms «Plan 9 aus dem Weltall» ist die Horrorfilmlegende Bela Lugosi verstorben, was Regisseur Ed Wood förmlich das Herz brach. Der riesige Verehrer Lugosis nutzte daher förmlich jeden Schnipsel Film mit Lugosi, den er zur Verfügung hatte, um den früheren Dracula-Darsteller posthum mit einer möglichst langen Leinwandzeit in «Plan 9 aus dem Weltall» zu würdigen. Ganz gleich, wie sehr die cineastische Geschichtsschreibung über Ed Woods berühmtesten Film lachen mag: Es war ein rührender Gedanke Woods. In der Umsetzung allerdings geriet es so holpernd, verzweifelt und angestrengt, dass man vorzüglich darüber streiten kann, ob es nicht respektvoller gewesen wäre, Lugosi in Würde abtreten zu lassen, statt mittels Outtakes, Hinter-den-Kulissen-Material und Körperdoubeln sein Andenken künstlich zu strecken.

Episode IX aus dem «Star Wars»-Kosmos hat dahingehend eine unangenehme Gemeinsamkeit mit «Plan 9 aus dem Weltall»: Die populäre Schauspielerin und gefragte Drehbuch-Überarbeiterin Carrie Fisher ist im Dezember 2016 von uns gegangen. Ihre Arbeit an «Star Wars – Die letzten Jedi» hatte sie zwar schon vollendet, doch «Star Wars – Der Aufstieg Skywalkers» stand damals noch in den Sternen. Es gab zwar bereits den Gedanken, Fisher in der nächsten«Star Wars»-Episode eine größere Rolle zu geben, aber dieses Vorhaben ist zwangsweise mit ihr gestorben. Dennoch wollten sich weder «Star Wars»-Fans, noch «Star Wars»-Schaffende einfach sang- und klanglos von Carrie Fisher und ihrer Rolle der Leia Organa verabschieden. Also mussten Ideen her, wie man sie im nächsten Film auftauchen lässt.

Man entschied sich gegen eine Umbesetzung Leias, das unzeremonielle Herausschreiben der Figur und eine digitale Wiederauferstehung, wie sie Peter Cushing in «Rogue One: A Star Wars Story» erfahren hat, sondern beschritt den «Plan 9 aus dem Weltall»-Pfad, wenngleich sich das wohl niemand der Beteiligten so eingestehen würde: In «Star Wars – Der Aufstieg Skywalkers» werden verworfene, aber schon abgedrehte Szenen Fishers, Outtakes, Alternativmaterial, ach, einfach alles mit Fisher im Kostüm der älter gewordenen Leia Organa verwendet. Und das Team rund um Regisseur J. J. Abrams reizt das, was im Scheideraum noch so herumlag, wirklich bis aufs Letzte aus. Das mag im liebevollen Gedenken an Fisher geschehen sein, gerät allerdings zuweilen sehr angestrengt bis anstrengend:

Statt Fisher drei Jahre nach ihrem Tod in würdevoll ruhen zu lassen, werden halt noch bemüht Szenen rund um einen kurzen Filmschnipsel einer besorgt dreinblickenden Leia geschrieben und ähnliche Trickserei getrieben, um so viel Fisher wie nur möglich im Film zu haben. Selbstredend ist es handwerklich Lichtjahre vom «Plan 9 aus dem Weltall»-Flickenteppich entfernt, doch ob es nun eine rührende Verneigung vor Fisher ist oder ein befremdliches Klammern an übrig gebliebenen Filmresten mit ihr – das lässt sich wohl nicht so einfach bestimmen.

«Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten», oder: Die größten Hits der 70er, der 80er, der 90er, der 2000er, und das Beste von Heute


Es gibt kaum eine Filmreihe, in der die Musik eine derart große, bedeutende Rolle spielt wie «Star Wars»: John Williams' Märsche, Anlehnungen an große Klassiker aufweisenden Symphonien und sukzessive progressiver werdenden modernistischen Einflüsse haben den «Star Wars»-Mythos in der öffentlichen Wahrnehmung mindestens so weit getragen wie das ikonografische Produktionsdesign der Weltallsaga. «Star Wars – Der Aufstieg Skywalkers» wird als John Williams' Abschied von diesem Mammutwerk der Popkultur gehandelt, ebenso, wie der Disney-Konzern den Film als Abschluss des Skywalker-Erzählstrangs positioniert. Wie also verbeugt sich Williams vor seinem mehrere Generationen umfassenden Publikum und der Filmreihe, die ihn jahrzehntelang begleitet hat?

Will man gemein sein, so verabschiedet sich Williams mit einem Greatest-Hits-Album. Will man freundlich sein, so verabschiedet sich Williams mit einer über zwei Stunden langen Huldigung der Themen, Motive und Klänge aus dem «Star Wars»-Kosmos. Auf musikalischer Ebene ist «Star Wars – Der Aufstieg Skywalkers» nicht etwa ein riesiger, erzählerischer und thematischer Kompromiss zwischen den Strömungen innerhalb von «Star Wars» und zwischen den Herangehensweisen an «Star Wars». Es ist viel mehr eine Soiree in einer weit, weit entfernten Galaxis. Eine Soiree, die vor allem zu Beginn, wenn zügig zwischen Handlungssträngen und Schauplätzen hin und her gesprungen wird, etwas überwältigend sein kann in ihrer nostalgischen Referenznahme. Ähnlich, wie Hans Zimmer den Beginn von «Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten» mit einem wahlweise energetischen oder ruhelosen "Erkenne die Melodie!"-Gewusel beladen hat, folgen in «Star Wars – Der Aufstieg Skywalkers» eingangs die bekannten Melodien aufeinander, bis es kracht.

Und wie schon der vierte «Pirates of the Caribbean», so fängt sich auch Episode IX von «Star Wars». Der "Bring noch einmal alle Hits!"-Charakter bleibt, es wird aber zu einer langen, harmonischen Verschmelzung aus früheren Klangmotiven. Williams verwebt seine Rückgriffe im weiteren Filmverlauf zunehmend dichter, er wandelt sie stärker ab und lässt zuweilen aus mehreren Elementen ein einzelnes Ganzes werden. Denkwürdige neue musikalische Aspekte sind derweil rar gesät.



Und sonst so – und das Fazit


Episode IX der «Star Wars»-Saga, das Finale der Skywalker-Erzählung, scheitert am Anspruch, eine kohärente, konsequente Vision zu erzählen. Stattdessen bemüht sich Regisseur J. J. Abrams, die Fans seiner Episode VII zu bedienen und auch jene abzuholen, die «Star Wars – Die letzten Jedi» deutlich besser fanden. Darüber hinaus versucht sich «Star Wars – Der Aufstieg Skywalkers» an einem Spagat zwischen der opernhaften Mythologie der Prequel-Trilogie und dem amüsanten Weltallabenteuer voller filmischer Einflüsse, den die Original-Reihe darstellt. Zu diesem Zweck wird der Plot teils sehr umständlich gesponnen und die Dialoge geraten arg uneinheitlich. Gleichzeitig mündet dies mehrmals in wirkungsstarke Einzelsequenzen, selbst wenn sich die Frage, welche diese herausragenden Szenen sind, arg davon abhängig ist, weshalb man denn nun «Star Wars» mag. Die Vereinigung des tief gespaltenen Fandoms bleibt zweifelsfrei aus.

Doch Williams' emotional aufgeladene Musik, eine kräftige Bildsprache und die Hauptdarsteller tragen diesen mühselig errungenen, aber passioniert präsentierten Kompromissschluss durch einige Tiefen. Vor allem eine famose, intensive, nuancenreiche Daisy Ridley und ein energischer Adam Driver stützen «Star Wars – Der Aufstieg Skywalkers».

«Star Wars – Der Aufstieg Skywalkers» ist ab sofort in vielen deutschen Kinos zu sehen – in 3D und 2D.
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18.12.2019 09:03 Uhr Kurz-URL: qmde.de/114471
Sidney Schering

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Es gibt 7 Kommentare zum Artikel
Nr27
19.12.2019 12:45 Uhr 5


Da brauchst du keine 20 Jahre zu warten, der Auftakt einer ganz neuen Trilogie ist bereits für Weihnachten 2022 eingeplant. Und ... ich freu mich drauf!






Das ist hier sowieso nicht der Fall! Es wurden nur nicht verwendete Szenen aus Episode VII von Leia verwendet.
troubled
19.12.2019 13:25 Uhr 6
Ich muss ehrlich zugeben, das ich mir diesen Film hauptsächlich anschauen werde, weil ich halt einfach bloß wissen möchte, wie es ausgeht. Und im Gegensatz zu sonst habe ich nicht das Bedürfnis, den Film direkt zum Start schauen zu wollen bzw. müssen. In der ersten oder zweiten Januarwoche ist es erst so weit. Episode 7 hat man schon angemerkt, das hier auf Biegen und Brechen noch was aus Star Wars rausgeholt werden sollte, und der achte Teil war schon fast unnötig. Aber ja, Fanherz und so. Man will ja wissen, was weiter passiert :-)
Familie Tschiep
23.12.2019 17:48 Uhr 7
Anm die Star-Wars-Macher: Lasst die Fans erst einmal nach neuem Stoff etwas hungern, bevor ihr eine weitere Trilogie in Auftrag gebt. Ihr habt genügend andere Marken wie Artemis Fowl, Marvel.
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