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'Der Florida-Stil ist bei aller Freude an der Grenzüberschreitung immer auch sehr zugewandt und warm'

Die Show-Schmiede Florida Entertainment geht in den Fiction-Bereich. Wir haben mit Lars Jessen, Showrunner der neuen Florida Film, und Creative Director Thomas Schmitt über ihre Pläne gesprochen.

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Wir wollen modern und humorvoll sein. Der Florida-Stil ist ja bei aller Freude an der Grenzüberschreitung immer auch sehr zugewandt und warm. Vorgeführt wurde bisher ja nur derjenige, der unbedingt wollte.
Lars Jessen
Wir haben nun so viel darüber gesprochen, dass sich die Florida Film in die Identität von Florida Entertainment fügt. Doch wird auch die Möglichkeit bestehen, dass sich die Florida Film eine eigene Stimme innerhalb der Florida aufbaut? Oder ist das ein zu kniffliger Balanceakt?
Lars Jessen: Die Frage stellte sich mir so eigentlich nicht, denn das Vertrauen, dass wir da ein gutes Gleichgewicht finden, war von Anfang an da. Schließlich fangen wir mit einer gemeinsamen Vergangenheit an. Wir sind nicht völlig neu auf einem uns fremden Platz. Wir haben als Bird & Bird mit Florida schon einige kommende Projekte zusammen entwickelt, darunter befinden sich neben joyn-Serien auch eine große, neue Improserie von Jan-Georg Schütte und einige sehr stabile Kinostoffe.

Unterm Strich kann man sagen: Wir wollen modern und humorvoll sein. Der Florida-Stil ist ja bei aller Freude an der Grenzüberschreitung immer auch sehr zugewandt und warm. Vorgeführt wurde bisher ja nur derjenige, der unbedingt wollte. Das passt gut zu meinem Stil. Ich denke, das wird für uns ein ganz organischer, offener Prozess. Wir werden das Portfolio erweitern und vor allem nach neuen Erzählweisen suchen. Ansonsten wäre das ja auch für beide Seiten langweilig.

Die Tendenz der Florida Film geht aber schon in Richtung Komödie?
Lars Jessen: Ja, natürlich. Aber wir werden auch versuchen, das Publikum damit zu überraschen, dass wir Dinge machen, die man von uns nicht erwartet. Das ist für meinen Produktionspartner Sebastian Schultz und mich nichts Neues, so haben wir Charly Hübners sehr politischen Dokumentarfilm «Wildes Herz» gemacht. Und letztes Jahr habe ich einen «Polizeiruf 110» produziert, bei dem es überhaupt nichts zu lachen gab. Sowas wird unter der Florida Film definitiv auch vorkommen, aber die Grundtonalität des Schaffens von Sebastian, Klaas und mir war bisher tendenziell komödiantisch, und in der Richtung wollen wir bleiben. Wir wollen weiter mit Charly Hübner zusammenarbeiten, mit Heinz Strunk, wir wollen mit Studio Braun weitermachen, mit Andreas Altenburg und Harald Wehmeier, die ja hinter «Jennifer – Sehnsucht nach was Besseres» stehen. All das sind Sachen, die mir sehr, sehr wichtig sind.

Und im Kinobereich will ich die Zusammenarbeit mit Florida Entertainment nutzen, um etwas populärer zu erzählen als bislang. Meine bisherigen Kinoarbeiten sind eher aus der Schublade "Unterhaltsames Arthouse". Und ich hoffe, dass sich mir nun neue Wege eröffnen, die mir als auch dem Rest von Florida gefallen.

Thomas Schmitt: Ich glaube, wenn man sich mit unseren bisherigen Projekten genauer beschäftigt, dann dürfte das gar nicht so unerwartet kommen. Hoffe ich jedenfalls. Natürlich sind unsere bisherigen Shows in erster Linie reine Unterhaltung. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass man uns mittlerweile doch anmerkt, wie gerne wir mit den Erwartungen brechen. Seien es die "15 Live-Minuten", in denen wir gesellschaftlichen Themen zu Primetime eine Plattform gegeben haben, die Erzählweise einiger «Duell um die Welt»-Einspieler oder die Ausführung und Aufbereitung des #GoslingGates.

Ich bin einfach nur froh, dass wir diese Nacht überstanden haben. Ich will dieses Herzklopfen von damals nie mehr wieder in meinem ganzen Leben durchstehen müssen.
Thomas Schmitt über #GoslingGate
Apropos #GoslingGate: Das ist natürlich ein Thema, das sich hervorragend für eine Heist-Serie eignen würde. Die dramatisierte Geschichte junger Männer, die sich einen Preis ergaunern. Das schreit doch nach Netflix.
Lars Jessen: Mag sein, aber ich weiß nicht, ob wir uns diesen Ludwig noch einmal leisten können … (lacht)

Thomas Schmitt: Ich bin einfach nur froh, dass wir diese Nacht überstanden haben. Ich will dieses Herzklopfen von damals nie mehr wieder in meinem ganzen Leben durchstehen müssen. Und ich weiß ganz genau, dieses Herzklopfen, würde sofort wiederkehren, sollten wir uns jemals wieder mit der Sache befassen. Ich bin dankbar, dass das alles einigermaßen funktioniert hat und unsere Leute nicht von Anwälten oder Security-Leuten aus der Halle geprügelt wurden. Diese Aufregung, ob es klappt, die Angst vor den möglichen Konsequenzen, die Freude als unser falscher Ryan Gosling tatsächlich auf der Bühne stand – das war ein derart intensiver Abend und eine Gefühlsachterbahn, die ich persönlich nicht nochmal erleben möchte. Nicht einmal fiktional.





Achtung, Mörderüberleitung: Mein Kinoherz pocht derweil ganz laut bei euren Andeutungen, dass Florida Film nicht nur Serien, sondern auch Kinofilme machen wird. Das ist ja überhaupt nicht selbstredend – diverse Filmstudios produzieren immer mehr direkt für's Streaming, und da kommt Florida Film und sagt "Neee, wir wollen vom Streaming ins Kino!"
Lars Jessen: Ja, man muss auch mal antizyklisch arbeiten! Wir erleben im Streamingbereich natürlich, dass dort Stoffe mit einer sehr spitzen Zielgruppe möglich sind, die selbst vor drei Jahren noch nicht denkbar waren. Das begrüße ich sehr. Und dennoch habe ich diese große, romantische Beziehung zum Kino. Im Kino habe ich unvergessliche Momente erlebt – als Macher und Zuschauer, und daher zieht es mich noch immer dorthin. Und ich weiß, dass es bei Florida viele gibt, denen es ähnlich geht. Es ist keine Entweder-oder-Frage. Es gibt einfach unterschiedliche Arten von Geschichten. Ich könnte mich jetzt nicht festlegen, was mir mehr bedeutet. Das geht mir als Konsument ja genauso.

Das ist nun ein thematischer Bruch, aber ich möchte noch auf «Joko & Klaas gegen ProSieben» zu sprechen kommen, das ja ins Ausland verkauft wird. Ich muss zugeben, ich frage mich, wie das funktionieren soll. «Schlag den Raab» wurde ja auch massig verkauft, hat sich aber in nur sehr wenigen Ländern länger gehalten, was bewiesen hat, das solche Duell-Sendungen, die auf ihre Protagonisten zugeschnitten sind, nicht leicht zu adaptieren sind. Wie wird «Joko & Klaas gegen ProSieben» in anderen Märkten aussehen?
Die Grundidee "Ich kämpfe gegen meinen Sender, um 15 Minuten Sendeplatz zu bekommen" lässt sich unmöglich bierernst anpacken.
Thomas Schmitt
Thomas Schmitt: Es ist zu früh, um das konkret zu beantworten. Aber ich kann schon verraten, dass wir das von Land zu Land unterschiedlich handhaben werden. Wir setzen den Käufern keine fette Showbibel vor und sagen: "Es muss genau so sein wie bei uns." Im Gegenteil, wir finden es sehr spannend zu sehen, wie die Version an andere Länder und deren Persönlichkeiten angepasst wird.

Es gibt Länder, in die wir die Idee verkauft haben, wo die Sender sofort ein Duo im Sinn hatten. In anderen Ländern wird das Format vielleicht auf eine Einzelperson zugeschnitten, weil die Sender jemanden haben, der dort eine Position genießt, wie bei uns damals Stefan Raab. Was aber bleibt, ist überall der selbstironische Charakter – denn die Grundidee "Ich kämpfe gegen meinen Sender, um 15 Minuten Sendeplatz zu bekommen" lässt sich unmöglich bierernst anpacken.

Zum Abschluss: Ich bekomme in Interviews immer wieder zu hören, dass Leute, die in Film und Fernsehen arbeiten, kaum noch Zeit haben, Film und Fernsehen zu konsumieren, weil sie zu sehr mit ihrer eigenen Arbeit beschäftigt sind, um sich andere Produktionen anzuschauen. Daher wüsste ich gerne: Was schaut ihr gerne, wo habt ihr zuletzt gedacht "Wow, wieso bin ich nicht auf die Idee gekommen?"
Thomas Schmitt: Interessant, dass du das sagst, ich höre das auch immer öfter, dass viele, die beim Fernsehen arbeiten, kaum noch ihr eigenes Medium konsumieren. Das kann ich für den Großteil unserer Mitarbeiter nicht bestätigen. Ich fürchte sogar, bei uns arbeiten nach wie vor komplette Film- und TV-Junkies und auch bei mir läuft der Fernseher gefühlt 20 Stunden am Tag. Das reicht von «Goodbye Deutschland» bis «Hochzeit auf den ersten Blick». In der ganzen Firma wird sich bei jeder Gelegenheit über Filme und Serien gestritten und wir veranstalten regelmäßig Public Viewings von Perlen wie dem «Sommerhaus der Stars» oder dem «Dschungelcamp». Ob wir arauf jetzt besonders stolz sein können, weiß ich nicht …

Und um auf die eigentliche Frage zurückzukommen: Es gibt eine Sendung, die ich sehr gerne sehe und bei der ich wirklich immer "Wow" sage. Aber ich denke dabei nicht "Wieso sind wir nicht auf die Idee gekommen?" – denn wir sind auf die Idee gekommen. (lacht) Die Rede ist von «Kitchen Impossible». Durch «Duell um die Welt» weiß ich, was für ein Riesenaufwand diese Sendung sein muss und ich bewundere es, wie die Kollegen einen durchaus sehr ähnlichen Ansatz wie bei unserem «Duell um die Welt» genommen und etwas völlig Eigenes und Neues daraus gemacht haben.

Lars Jessen: Ich habe mich sehr an «After Life» von Ricky Gervais erfreut. «Ozark» war stark. «Bad Banks» von Christian Schwochow hat mir imponiert. Hans-Christian Schmids «Das Verschwinden» ebenfalls. Beides Kollegen, die ich sehr bewundere. Im Kino war ich zuletzt bei Erwin Wangenhofers «But Beautiful» angetan – ein Film, der von einer besseren Welt erzählt. In diesem Bereich sind wir Geschichtenerzähler gerade sehr in der Verantwortung und wir als Florida Film wollen unbedingt unseren Beitrag leisten.

Vielen Dank für das Gespräch.
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15.12.2019 12:15 Uhr Kurz-URL: qmde.de/114367
Sidney Schering

super
schade

88 %
12 %

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