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Die Kritiker: «Todesfrist»

Mit Josefine Preuß und Raymond Thiry hat Sat.1 zwei sehr talentierte Darsteller für sein neues "ungleiches Ermittlerpaar" verpflichtet. Unsere Vorab-Kritik:

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Josefine Preuß als Sabine Nemez
Raymond Thiry als Maarten S. Sneijder
Heinz-Arthur Boltuch als Brandstätter
Dagny Dewath als Rose Hartmann
Nils Hohenhövel als Carl Boni
Mavie Hörbiger als Helene

Hinter der Kamera:
Produktion: Constantin Television GmbH und Epo-Film Produktionsges.m.b.H.
Drehbuch: Verena Kurth
nach dem gleichnamigen Roman von Andreas Gruber
Regie: Christopher Schier
Kamera: Thomas Kürzl
Produzenten: Friedrich Wildfeuer, Karsten Rühle, Dieter und Jakob Pochlatko
Als Kommissarin Sabine Nemez (Josefine Preuß) eines Nachts in eine Kirche gerufen wird und dort die beste Freundin und ehemalige Kollegin ihrer Mutter in übel niedergemetzeltem Zustand vor dem Altar liegen sieht, schwant ihr bereits, dass sich in ihrem neuen Fall Berufs- und Privatleben vermischen werden. Das ist in den meisten Krimis ein eher billiger Kniff, um der Hauptfigur noch einen Tacken mehr Motivation mitzugeben, beschränkt sich hier aber dankenswerterweise darauf, dass Kommissarin Sabine ihrer Mutter auf dem Revierflur nur noch zurufen kann, sich schleunigst einen Anwalt zu nehmen.

Zum Glück weiß der eilig eingeflogene BKA-Experte Maarten S. Sneijder (Raymond Thiry), ein mephistophelischer Typ mit ungeheurer Geisteskraft, Cluster-Kopfschmerzen und einem starken niederländischen Einschlag, genauso gut wie die Tochter, dass Nemez‘ Mutter als Täterin ausscheidet. Doch weil die unscheinbare Kommissarin vom Kriminaldauerdienst unverhofft ein paar gute Ideen hat, ernennt der schonungslos voreingenommene Sneijder sie prompt zu seiner Assistentin. Zu tun gibt es genug: Denn der geistesgestörte Täter schlägt wieder zu. Und wieder und wieder und wieder. An seinen Opfern spielt er die perversen Episoden aus dem hierzulande berühmten (aber dem Niederländer Sneijder völlig unbekannten) Struwwelpeter nach. Glücklicherweise ist Nemez bei Suppenkasper und Hans-Guck-in-die-Luft voll im Thema.

Man könnte nun die Phrase des „ungleichen Ermittlerpaares“ bemühen: das kopfschmerzgeplagte Genie und die empathische Kinderbuchkennerin, der wohlsprechende emotionale Grobian und die ambitionierte Feinfühlige. Doch während die Kontrapunkte zwischen bemüht gegensätzlichen Kommissaren oft konstruiert und unnötig aufgebauscht wirken, ergeben sie sich in «Todesfrist» deutlich natürlicher aus den Haltungen und Schrullen der Charaktere. Dem ist auch die gelungene Besetzung mit Josefine Preuß und Raymond Thiry zuträglich, die die Klaviaturen ihrer jeweiligen Figur gekonnt zu bespielen wissen. Ebenso gefällt, dass ihre Rollen trotz ihrer großen, aber eher graduellen Charakterunterschiede keine polaren Gegensätze verkörpern: Denn die entscheidende Idee zur Lösung des Falls kommt nicht vom Viriginia-Woolf-Biographien lesenden hochgebildeten Schöngeist, sondern von der aufgeweckten Kriminaldauerdienstbeamtin, die zweimal an der Aufnahmeprüfung der BKA-Akademie gescheitert ist.

Während das Drehbuch seine Täterfigur psychologisch eher oberflächlich und in allzu tumber Effekthascherei völlig überdreht führt, gefällt die dichte Struktur, in der sich rasch ein Wendepunkt an den anderen fügt, ohne dass das Tempo gehetzt wirkt oder allzu viel Zeit für die nötige Charakterentwicklung auf der Strecke bleibt. Gleichsam vermeidet «Todesfrist» die Überreizung seiner pfiffigen Grundidee – ein Nahestehender des Opfers erhält 48 Stunden Zeit, um die Antworten auf einige (schier) unlösbare Rätsel zu erraten, bevor es in Struwwelpeter-Manier gemeuchelt wird – und setzt stattdessen auf die Stärke seiner Ermittlerfiguren und ihre kompetenten Darsteller.

Ungeachtet vieler durchdachter Impulse ist das Ergebnis trotzdem erstaunlich unscheinbar. Denn so oder so ähnlich könnten sich Josefine Preuß und Raymond Thiry auch durch einen Münchener oder Dresdener «Tatort» ermitteln. Das mag man nun als Affront verstehen, schließlich scheint sich «Todesfrist» mit seiner durchaus innovativen Grundidee zu gefallen – oder als Kompliment, es mit dem massentauglichsten und populärsten Krimi-Franchise der deutschen Fernsehgeschichte aufnehmen zu können.

Sat.1 zeigt «Todesfrist» am Montag, den 7. Oktober um 20.15 Uhr.
06.10.2019 11:40 Uhr Kurz-URL: qmde.de/112687
Julian Miller

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Todesfrist Tatort

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