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Phänomen «Downton Abbey»: Kleines, feines großes Kino – in Serie

Ganz egal, ob Serie oder Film, ein Abstecher nach Downton Abbey lohnt sich – aus vielerlei Gründen!

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Dies hängt selbstredend auch mit den Darstellerinnen und Darstellern zusammen, die mehrheitlich schon seit Staffel 1 Teil dieser außergewöhnlichen Produktion sind. Der Hauptcast ist deshalb auch über all die Jahre überdurchschnittlich groß geblieben, was zweifellos einer der Hauptgründe für den internationalen Erfolg ist. Man könnte meinen, dass es übermäßig schwer sein müsste, mit so vielen Figuren gleichzeitig zu jonglieren und niemanden zu einem reinen Stichwortgeber zu degradieren – es existieren bekanntlich genug Beispiele, die diese These stützen würden –, auf «Downton Abbey» trifft das aber erfreulicherweise nicht zu. Selten war der Begriff „Ensembleserie“ so treffend wie hier. Dass es den Machern über all die Staffeln gelungen ist, keine Figur zu kurz kommen zu lassen, ist allerdings kein Zufall, sondern der nächste Beleg für die Qualität der Drehbücher respektive für die des Grundkonzepts, auf dem das Format fußt.

Und schon wären wir wieder beim „Oben und Unten“. Der Zuschauer wird sozusagen zum Mitglied dieser Familie und gleichzeitig zu einem ihrer Angestellten, weil er überallhin mitgenommen wird: zu festlichen Anlässen ebenso wie in die Küche. Dreh- und Angelpunkt ist dabei eine Treppe, die stets von der Dienerschaft genommen werden muss, wenn beispielsweise das Essen nach oben transportiert oder jemand angekleidet werden muss.

Bedient werden in insgesamt 52 Episoden sowie dem Kinofilm: Hugh Bonneville (Robert Crawley, Earl of Grantham), Laura Carmichael (Lady Edith Pelham /Crawley), Michelle Dockery (Lady Mary Talbot/Crawley), Elizabeth McGovern (Cora Crawley, Countess of Grantham), Maggie Smith (Violet Crawley, Dowager Countess of Grantham) und Penelope Wilton (Isobel Grey/Crawley). Und vom ersten Tag an nahmen folgende Personen den Dienstboteneingang: James Edward „Jim" Carter (Charles „Charlie" Carson), Brendan Coyle (John Bates), Kevin Doyle (Joseph Molesley), Joanne Froggatt (Anna Bates/Smith), Robert James-Collier (Thomas Barrow), Phyllis Logan (Elsie Carson/Hughes), Lesley Nicol (Beryl Patmore) sowie Sophie McShera (Daisy Mason/Robinson). Einen Sonderfall stellt der von Allen Leech gespielte Thomas „Tom“ Branson dar, der als Fahrer bei den Crawleys beginnt und in die Familie einheiratet. Als seine von Jessica Brown Findlay verkörperte Frau Sybil, die jüngste der drei Töchter des Hausherren, kurz nach der Geburt ihrer Tochter stirbt, überlegt er zwischenzeitlich, in seine Heimat zurückzukehren, entscheidet sich jedoch schließlich doch fürs Bleiben und ist seitdem praktisch der „Mann zwischen den Welten“.

Diese 15 Akteure bilden quasi das Herzstück von «Downton Abbey». Neben weiteren (temporären) Hauptrollen, bereicherten viele Neben- und Gastrollen die Geschichten rund um dieses bemerkenswerte Ansehen. Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang definitiv Lily James, die als Lady Rose Aldrige/MacClare den Crawleys und den Fans mehr als einmal ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert haben dürfte, mittlerweile ein sehr gefragter Name in Hollywood ist und zuletzt beispielsweise in Danny Boyles «Yesterday» zu überzeugen wusste. Grundsätzlich, und das gilt auch und gerade für den Leinwandableger, bei dem mit Michael Engler ein alter Bekannter Regie führte (er tat dies auch schon bei vier Episoden), sind es aber, wie gesagt, die 15 Kerncharaktere, die alles zusammenhalten.


Auch während dieser 122 Minuten erhält jede oder jeder Minimum einen Moment – ob traurig, lustig, bewegend oder sehr ernst –, in dem sie oder er glänzen kann. Und weil besagte Momente eben seit 2010 mehr Regel denn Ausnahme sind, hat die Serie im Laufe der Zeit unzählige Preise in diversen Kategorien abgeräumt: Ob Golden Globes, BAFTA Awards oder Emmys, alles war dabei. Und so gut auch die schauspielerischen Leistungen der Darsteller sind, es kommt nicht von ungefähr, dass die «Downton»-Ladys in Sachen Auszeichnungen deutlich die Nase vorne haben – die Akteurin mit der größten Lebenserfahrung sogar noch etwas mehr: Maggie Smith.

Sie darf zwei Oscars ihr Eigen nennen, wurde von der Queen in den Ritterstand erhoben und bleibt wohl auf ewig für eine ganze Generation Professor Minerva McGonagall, Harry Potters Hauslehrerin; mit ihren Performances als Violet Crawley allerdings hat die Mimin noch einmal eindrucksvoll veranschaulicht, was wirklich herausragendes Schauspiel eigentlich bedeutet: Sie ist eine wahre Meisterin des Timings, und weil sie das ist, sind auch so viele Zitate der Dowager Countess of Grantham (etwa: „What is a weekend?“) mittlerweile Kult. Sie kann jedoch auch wahnsinnig ernst sein, dazu braucht es noch nicht einmal wirklich viel Text, da ihre Augen so ausdrucksstark sind und die Blicke, für die sie in ihrer Rolle mittlerweile berühmt ist, geradezu legendär. Ihre vielleicht stärkste Szene entstammt aber dem Film, womöglich deshalb, weil es sich um eine der wenigen handelt, in denen sich Violet von ihrer einfühlsamen Seite zeigen darf. Das Ganze funktioniert allerdings nur deswegen so gut, weil ihre Spielpartnerin Michelle Dockery, also Lady Mary, ebenfalls über sich hinauswächst. Diese Großmutter-Enkeltochter-Paarung steht im Übrigen exemplarisch für den Umstand, dass nahezu alle Altersgruppen innerhalb des Casts vertreten sind, weshalb es an sich niemanden überraschen dürfte, dass die Zielgruppe von «Downton Abbey» im Grunde keiner Eingrenzung bedarf: Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene, Erwachsene und Senioren beider Geschlechter, alle sind in Downton willkommen und gern gesehen. In den USA hat das Format zwar ebenfalls eine riesige Fanbase, die Begeisterung der Briten aber für „ihre" Crawleys ist global gesehen sicherlich nicht zu toppen, was sich zum Teil sogar in zweistelligen Millionen-Quoten widergespiegelt hat.

Und so schön es für viele bestimmt auch ist, dass sie im Lichtspielhaus ihres Vertrauens im September 2019 einem royalen Besuch auf Downton beiwohnen können, so sehr besteht doch auch die Stärke des Films wieder in seinen Akteurinnen und Akteuren respektive den Drehbüchern, die gefühlt aus dem Innenleben der einzelnen Charaktere förmlich „erwachsen" und schließlich nur noch optimal arrangieren werden müssen. Trotz all der Bemühungen seitens der Produktion noch einmal neue Seiten des altehrwürdigen Prachtbaus zu zeigen und musikalisch einmal mehr all das Dargestellte wirkungsvoll zu unterstreichen, es bleibt dabei: Am wichtigsten waren, sind und bleiben die Figuren, die nicht wenigen Menschen inzwischen ans Herz gewachsen sind – auch und gerade, weil sie Höhen und Tiefen durchgemacht haben und gelegentlich ebenfalls (über Standesgrenzen hinweg) füreinander eingestanden sind.

Darauf kann gar nicht oft genug hingewiesen werden, denn ohne jede Frage, der Grundton der Serie ist positiv, jedoch scheut sie keine Schicksalsschläge oder traurige Ereignisse und behandelt nicht umsonst zum Beispiel den Ersten Weltkrieg so ausführlich. Eventuell könnte man den Drehbuchautoren vorwerfen, dass die adlige Familie etwas zu modern denkt, etwas zu gut mit seinem Personal auskommt und ihm gegenüber vielfach etwas zu verständnisvoll reagiert. Aber wer sagt denn, dass es damals keine Vertreter aus der feinen Gesellschaft gab, die mit positivem Beispiel vorangegangen sind und die für uns Zusehende auch in der Gegenwart ein Vorbild sein könnten. Denn das in den 52 Folgen (inklusive der einzelne Seasons so gelungen abrundenden XXL-Weihnachtsspecials) Verhandelte war schon immer auch auf unsere Zeit übertragbar (im Film ist es nicht anders), sodass man womöglich zusammenfassend festhalten kann: «Downton Abbey» oder: Wenn Vergangenes in die Zukunft weist!

Alle Staffeln von «Downton Abbey» sind auf diversen Streamingdiensten verfügbar und der Film läuft seit dem 19. September 2019 bundesweit in den Kinos.
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29.09.2019 13:52 Uhr Kurz-URL: qmde.de/112537
Florian Kaiser

super
schade

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Tags

Downton Abbey Yesterday Ad Astra – Zu den Sternen Rambo: Last Blood Downton

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Nr27
29.09.2019 15:30 Uhr 1
Tja, hätte das ZDF die letzten beiden Staffeln noch irgendwann ausgestrahlt, wäre ich für den Film auch ins Kino gegangen - so macht das für mich wenig Sinn ...
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