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«The Umbrella Academy» bei Netflix: Schwanger, Sieben, Superkräfte

Kann man von einem Kuss schwanger werden? Offensichtlich, wie die neue Netflix-Superheldenserie zeigt. Noch viel wichtiger zeigt sie aber: Diese Superhelden sind auch nur ganz normale Menschen.

Cast & Crew «The Umbrella Academy»

  • Idee: Steve Blackman
  • Darsteller: Ellen Page, Tom Hopper, Emmy Raver-Lampman, David Castaneda, Aidan Gallagher, Robert Sheehan, Mary J. Blige u.a.
  • Regie (Pilot): Peter Hoar
  • Ausf. Produzenten: Gerard Way, Jeremy Slater, Scott Stuber u.a.
  • Produktion: Borderline, Dark Horse, Universal Cable für Netflix
  • Folgen: 10 in S1 (je ca. 45-60 Min.)
Kann man von einem Kuss schwanger werden?

Die Frage mögen vielleicht prä-pubertierende Mädels irgendwann mal der Bravo gestellt haben. Und die Bravo hat mit nein geantwortet. Nach der ersten Episode «Umbrella Academy» sind sie vielleicht doch eines Besseren belehrt: Es ist 1989, erster Oktober. Ein russisches Schwimmbad, eine Übungsgruppe. Und ein Mädchen, dass sich traut, den Jungen zu küssen, der neben ihr sitzt. Ein paar Minuten später im Wasser – und sie gebärt ein Kind.

Irgendwo auf der Welt passiert es 43 Mal am selben Tag: 43 Mal kommen Kinder von Frauen auf die Welt, die am Vortag noch nicht schwanger waren. Diese 43, sind komisch, irgendwie ungewöhnlich – und sie besitzen Superkräfte, wie sich später noch herausstellen soll. Der exzentrische Milliardär Reginald Hargreeves (exzentrisch, weil Monokel-tragend) versucht möglichst viele dieser Kinder zu adpotieren. Es gelingt mit sieben von ihnen.

Diese sieben sind die Hauptcharaktere von «The Umbrella Academy», einer neuen Netflix-Serie, die mehr ist als nur Superhelden. Sie ist vor allem auch eine Familiengeschichte, beziehungsweise: eine Geschichte familiärer Zerrisse. 30 Jahre nach dem ominösen Oktobertag im Jahr 1989 verstirbt der „Vater“ der Sieben, Reginald Hargreeves. Und die Charaktere versammeln in seinem Anwesen, um Abschied zu nehmen. Es ist die Zeit der brutalen (Selbst-)Erkenntnisse: Alle sind sie kaputt, alle sind sie gebrochen. Und alle tragen Hass oder unausgesprochene Dinge mit sich herum. Abgesehen davon, dass sie ja noch diese – teils manipulativen – Superkräfte besitzen: Klaus (Nummer vier) kann mit den Toten sprechen; Allison (Nummer drei) kann Leute dazu bringen zu tun, was sie will; oder Ben (Nummer sechs), der Monster beschwören kann.

Viel Stoff und Konfliktpotenzial also, wenn diese dysfunktionalen Figuren aufeinandertreffen. Und sich noch mit dem Erbe des Vaters herumschlagen müssen. Und von dem zeitreisenden Five (Nummer fünf) erfahren, dass die Welt in acht Tagen zerstört wird. Und bald vermuten, dass ihr Vater ermordet wurde.

«The Umbrella Academy» bei Netflix: Powerkräfte helfen hier nicht


Ganz, ganz viel zu schlucken ist dies für den Otto-Normalzuschauer, der von einer wichtigen Einführungsszene zur nächsten gehetzt wird. Dabei bringen die Anfänge der Serienadaption noch nicht einmal alle wichtigen Informationen unter, die die Comicvorlage zu Beginn vermittelt. Dies tut der Dramaturgie allerdings keinen Abbruch, im Gegenteil. «The Umbrella Academy» schafft es vorbildlich, den großen Input so zu verabreichen, dass man bei hoher Aufmerksamkeit gut folgen kann. Es fühlt sich anfangs wie ein wenig Arbeit an; die richtige Belohnung wartet dann aber in den kommenden Episoden, sobald die nötigen Grundlagen gelegt wurden.

Dass einem der Einstieg so einfach fällt, liegt auch am wunderbaren Cast, der nicht gerade einfache Rollen besetzen musste: Der Charakter eines 56-Jährigen gefangen im Körper eines 13-Jährigen kann nervig sein, ebenso der eines drogensüchtigen Junkies (Klischee!) oder der eines Machos mit zu viel Temperament (Klischee 2!). Sie alle fallen aber durch die starken schauspielerischen Leistungen nicht in die Klischee-Falle. Nur manchmal tut es das Drehbuch, wenn über eine Attentatsszene eine antiklimaktische Musik gelegt wird.

«The Umbrella Academy» ist deswegen stark, weil sie die Superhelden normalisiert. Sie sind gebrochene Charaktere, bei ihren ganz alltäglich-weltlichen Problemen helfen ihnen auch die Powerkräfte nicht. Ähnlich wie bei «The Haunting of Hill House» im letzten Jahr steht eigentlich eine traurige Familiengeschichte voller Zerwürfnisse im Vordergrund. Der Horror dort – und hier die Superkräfte – sind nur Mittel zum Zweck, um eine bewegende andere Story zu erzählen. «The Umbrella Academy» ist deswegen auch eine Superhelden-Serie für Menschen, die Superhelden sonst aus dem Weg gehen.

«The Umbrella Academy» ist mit allen Episoden auf Netflix verfügbar.
20.02.2019 08:06 Uhr Kurz-URL: qmde.de/107366
Jan Schlüter

super
schade

91 %
9 %

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Tags

Umbrella Academy The Umbrella Academy The Haunting of Hill House

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