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«Das krumme Haus» - Sympathisch-nostalgisches Krimikino

Binnen kurzer Zeit erscheint mit «Das krumme Haus» die zweite moderne Neuverfilmung eines Agatha-Christie-Romans in den Kinos. Eigenen Angaben zufolge, stellte dieser das Lieblingswerk der britischen Autorin dar.

Filmfacts: «Das krumme Haus»

  • Start: 29. November 2018
  • Genre: Crime
  • Laufzeit: 115 Min.
  • FSK: 12
  • Kamera: Sebastian Winterø
  • Musik: Hugo de Chaire
  • Buch: Julian Fellowes, Tim Rose Price, Gilles Paquet-Brenner
  • Regie: Gilles Paquet-Brenner
  • Darsteller: Glenn Close, Max Irons, Gillian Anderson, Stefanie Martini, Christina Hendricks, Christian McKay, Honor Kneafsey
  • OT: Crooked House (UK 2017)
Schon lange bevor die Planungen zu Kenneth Branaghs üppig budgetiertem 70-Millimeter-Kammerspiel «Mord im Orient Express» begannen, machte sich der französische Regisseur Gilles Paquet-Brenner («Dark Places: Gefährliche Erinnerung») an die Umsetzung des weitaus weniger bekannten, von der Autorin selbst dafür umso mehr geschätzten Romans «Das krumme Haus». Der englische Titel «crooked house» spielt dabei nicht bloß auf die verwinkelt konstruierte Form des Hauses an, in dem sich der Kriminalfall abspielt, sondern vor allem auf das Wort „crook“ – auf Englisch: Gauner“. Denn wie schon im «Orient Express» handelt es sich auch hierbei um eine nach klassischem Whodunit-Prinzip aufgezogene Mördersuche.

Im Mittelpunkt stehen die Bewohner des titelgebenden „krummen Hauses“ Three Gables, denen sich Protagonist Charles Hayward nach und nach nähert. Ein Verhör nach dem anderen bringen ihm langsam die Gepflogenheiten des Hauses, aber auch die Spleens der darin lebenden Bewohner näher; und das sind so viele, dass einfach nur die Ansammlung an exzentrischen Figuren schon mal an der Glaubwürdigkeit der Geschichte kratzen kann. Doch genau das ist es, was «Das krumme Haus» auch für Kundige des Romans – die Autoren Julian Fellowes («Downton Abbey») und Tim Rose Price («Federball») weichen kaum von der Vorlage ab – so spannend macht.

Wer ist der Mörder?


Der ehemalige Diplomat Charles Hayward (Max Irons) kehrt von Kairo nach London zurück, wo er eine Karriere als Privatdetektiv beginnt. Als Aristide Leonides, ein reicher und skrupelloser Tycoon, in seinem Bett vergiftet aufgefunden wird, wird Detective Hayward in das Haus der Familie eingeladen, um den Fall aufzuklären. Im Zuge der voranschreitenden Ermittlungen muss er der schockierenden Erkenntnis ins Auge sehen, dass eine der Hauptverdächtigen Aristides hübsche Enkelin ist, seine Auftraggeberin und ehemalige Geliebte, Sophia (Stefanie Martini). Hayward hatte eine leidenschaftliche Affaire mit ihr in Kairo, bevor sie eines Tages, ohne ein Wort zu verlieren, verschwand. Er muss nun seine Gefühle überwinden und einen klaren Kopf behalten, um die temperamentvolle Sophia und den Rest ihrer feindseligen Familie in den Griff zu bekommen, damit das Verbrechen aufgeklärt wird.

Durch die klassisch-altmodische und erzählerisch absolut schnörkellose wirkt der Film wie aus der Zeit gefallen. Die Kulisse des Three Gables (gedreht wurde unter anderem in Wrotham Park, Hertfordshire, in derselben Kulisse, in der auch schon der Film «Gosford Park» entstand), in dem sich ein Großteil der Handlung abspielt, ist bis unters Dach vollgestopft mit luxuriösem Nippes. Vor allem die Wohnräume sind bis ins kleinste Detail dem darin lebenden Bewohner angepasst und geben mitunter eher Aufschluss über die darin lebenden Menschen, als das, was Charles in seinen Gesprächen über sie herausfindet. Mit Gold verzierte Wasserhähne, Luxusmöbel und eine riesige Eingangshalle tun ihr Übriges dafür, dass man sich trotz der geringen Produktionsgelder von gerade einmal 10 Millionen Dollar (zum Vergleich: Die Macher von «Mord im Orient Express» konnten auf rund 55 Millionen zurückgreifen) nie daran sattsehen kann, was die Verantwortlichen hier an Kitsch und Krams aufgefahren haben.

Nur für wenige Momente begibt sich die Kamera (Sebastian Winterø, «Never Here») auch außerhalb des Hauses, etwa um in den üppigen und ähnlich pedantisch ausgestatteten Ländereien zu schwelgen, oder um dem Zuschauer den Background von Hauptfigur Charles mittels Rückblende näherzubringen. Diese zeigt das Kennenlernen zwischen Charles und Sophia in der ägyptischen Metropole Kairo. Darüber hinaus spielen eine Handvoll Szenen außerdem in Charles‘ Detektivbüro.

Sehr stilechte Mitknobelunterhaltung


Aus der Perspektive des Protagonisten erzählt, lernt das Publikum, genau wie dieser selbst, erst nach und nach all die Eigenheiten der Verdächtigen kennen. Und anders als in so manchem Krimi sind wir Charles Hayward auch nur selten einen Wissensschritt voraus. Nur sehr vereinzelt haftet die Kamera ein wenig länger an gewissen Details, die für den Detektiv schon längst nicht mehr gesehen werden, oder sorgt die Musik (Komponist: Hugo de Chaire, «Capsule») dafür, dass wir eine Szene von Anfang an als (nicht) bedrohlich wahrnehmen, während Charles erst einmal herausfinden muss, wie er die jeweilige Situation einzuschätzen hat. Das macht es dem Publikum bisweilen ein wenig leichter, das gleichermaßen spektakuläre wie hin und wieder unübersichtliche Familiengefüge zu entwirren, das in seiner Komplexität ordentlich darüber zum Mitknobeln einlädt, wer von all diesen Verdächtigen denn nun wirklich der Mörder ist. Wer die Auflösung kennt, dem wird der Überraschungseffekt am Ende von «Das krumme Haus» natürlich abgehen. Bei allen anderen dürfte dieser aufgrund der vorab gestreuten falschen Fährten durchaus zünden, auch wenn es hier, wie schon im Falle von «Mord im Orient Express», vor allem um den Weg zum Ziel und nicht um das Ziel an sich geht.

Und der ist eben nicht bloß ziemlich amüsant und ganz schön stilsicher, sondern auch mit Stars und Sternchen gepflastert, auch wenn «Das krumme Haus» natürlich nicht mit der ganz großen und vor allem international bekannten Starpower eines «Mord im Orient Express» mithalten kann. Dafür gibt sich diesmal eine andere, mitunter sogar weitaus edlere (da nicht permanent auf der Leinwand zu sehendes) Cast-Zusammensetzung die Klinke in die Hand. Neben der in der kommenden Saison große Chancen auf den Oscar habenden Glenn Close (für «Die Frau des Nobelpreisträgers»), dem britische Shootingstar Max Irons («Die Frau in Gold»), Christina Hendricks («The Neon Demon») und «Akte X»-Star Gillian Anderson geizt auch Gilles Paquet-Brenners Film nicht mit namhaften Darstellern. Sie alle bilden ein stimmiges Ensemble, das untereinander gut harmoniert, obwohl sie sich mit ihren exzentrischen Spleens genauso gut gegenseitig den Rang ablaufen könnten.

Doch auch, wenn «Das krumme Haus» hin und wieder an einem darstellerischen „Zuviel“ seine Authentizität zu verlieren droht, tut das gerade dem Unterhaltungswert keinen Abbruch: Wenn Lady Edith in purer Raserei mit einem Gewehr auf Maulwürfe schießt, sich die von Christina Hendricks verkörperte, junge Witwe zwischen versuchter Verführung und Selbstmitleid auf einer Couch räkelt, oder die selbstbewusste 12-jährige Josephine (Honor Kneafsey) Nachwuchsdetektivin spielt, verhelfen all diese spleenigen Charaktere dem Film zusätzlich zu einer Dynamik, die «Das krumme Haus» erzählerisch ein wenig vermissen lässt. Dafür ist der Vorlage dann doch anzumerken, dass sie über die Jahre ein wenig Staub angesetzt hat.

Fazit


Inszenatorisch geht Regisseur Gilles Paquet-Brenner wenig Risiko ein und trifft damit den Geist der Vorlage. Seine unaufgeregte Agatha-Christie-Adaption «Das krumme Haus» ist ein klassischer Krimi mit interessanten Figuren und vor prächtiger Kulisse, die der Romanautorin sicher gefallen hätte.

«Das krumme Haus» ist ab dem 29. November in den deutschen Kinos zu sehen.
29.11.2018 14:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/105526
Antje Wessels

super
schade


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