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«A Million Little Things»: «This is Us», am Reißbrett durchgeplant

Unübersehbar versucht die neue ABC-Serie, Look and Feel des NBC-Erfolgs «This is Us» nachzubauen – scheint aber nicht verstanden zu haben, warum das Vorbild erzählerisch so gut funktioniert.

Cast & Crew

Produktion: Kapital Entertainment, ABC Studios, Next Thing You Know Productions und Fee-Fi-Fo Films
Schöpfer: D. J. Nash
Darsteller: David Giuntoli, Romany Malco, Allison Miller, Christina Moses, Christina Ochoa, Grace Park, James Roday u.v.m.
Executive Producer: D. J. Nash, Aaron Kaplan, Dana Honor und James Griffiths
Einer der bedeutendsten inhaltlichen Game-Changer im Network-Fernsehen der letzten Jahre ist wahrscheinlich «This is Us» gewesen. Kennt man nur die Prämisse der Serie, wirkt diese Behauptung erstaunlich: Sie erzählt die Geschichte einer amerikanischen Durchschnittsfamilie, in munteren Flashbacks mitunter über Jahrzehnte hinweg, ohne kernige Aufreger oder knalligen Aufhänger. Doch die Art, wie diese Serie erzählt, überstrahlt, was sie erzählt: emotional, eindringlich, wohlig.

Gleichzeitig spart sie jedoch die Konsequenzen aus, zu denen diese Attribute bei anderen Formaten führen, die besonders herzergreifend erzählen wollen. Es ist ebenso wichtig, aufzuzählen, was «This is Us» alles nicht ist: eskapistisch, einfach, dümmlich seicht, unglaubwürdig, lebensfern. Damit ist den Machern ein wahres Kunststück gelungen, für das sich in der Branche das Schlagwort warm bathtub eingebürgert hat, mit dem sich die Wirkung der Serie beschreiben lassen will.

Dass dieser Erfolg Nachahmer auf den Platz rufen würde, war nur eine Frage der Zeit. Der prominenteste in diesem Stil gehaltene Neustart der aktuellen Season heißt «A Million Little Things» – der Titel ist ein angemessen kitschiges geflügeltes Wort, mit dem in der angelsächsischen Welt Freundschaft umschrieben wird – und will die Geschichte einer Gruppe von Freunden erzählen, deren Leben durch einen Schicksalsschlag eine neue Wendung erfuhr: Einer von ihnen hat sich unerwartet das Leben genommen. Das macht ihnen klar, dass sich auch in ihrem Leben etwas ändern muss.

Die Handlung von «This is Us» ist ebenso nicht frei von mitunter schwersten Schicksalsschlägen. Mit «A Million Little Things» hat sie – getreu ihrem Duktus – gemeinsam, dass diese Ereignisse konsequent in ihre lebensbejahende Haltung einbettet werden, um zu zeigen, wie ihre Figuren an ihnen wachsen und reifen, statt an ihnen zu zerbrechen. Doch während «This is Us» diese Herausforderung erzählerisch elegant und emotional ergreifend meistert, bleibt bei «A Million Little Things» vieles im Diffusen.

Diese Unterschiede erstrecken sich auch auf das Figurenpersonal, das bei «A Million Little Things» eher anhand von Buzzwords – von stay-at-home dad bis career mom – zusammengeklaubt wirkt, zusätzlich zur recht offensichtlichen Ambition, ein Tabuthema anzusprechen: ein Mann, der an Brustkrebs erkrankt war. Doch das wirkt zu gewollt und geschieht nicht im Ansatz so elegant wie bei «This is Us».

Da beschleicht einen der Eindruck, dass die Macher von «A Million Little Things» nicht so recht verstanden haben, warum eine Warm-Bathtub-Serie nicht trotz, sondern wegen ihrer seichten, aber trotzdem emotional fordernden Erzählweise inhaltlich so gut gelingen kann. Denn die neue ABC-Serie wirkt, wie ein solches Format nie wirken darf: am Reißbrett durchgeplant. Sie hat nichts Zauberhaftes, Einnehmendes, keine kluge Beobachtung, keine ernsthaft nahegehenden Momente. «This is Us» ist ein solcher Glücksfall, weil die Serie so viel mehr ist als die Summe ihrer dramaturgischen Einzelteile. Eine Serie mit einem Titel wie «A Million Little Things» hätte das verstehen müssen.
16.10.2018 10:39 Uhr Kurz-URL: qmde.de/104503
Julian Miller

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A Million Little Things This is Us

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