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Synchronbuchautor Tobias Neumann: 'Je besser ein Film im Original ist, desto leichter ist meine Arbeit'

Schon gewusst? Für den neuen «Ghostbusters»-Film schlug Sony in Sachen Synchronarbeit seltene Pfade ein, und manchmal holen die Synchronarbeit Entscheidungen ein, die vor Jahrzehnten getroffen wurden …

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Ein blutiger Karrierebeginn


«Zombieland» war mein erstes Synchronbuch für's Kino, und da hat einfach alles gestimmt: Der Humor in dem Film entspricht meinem eigenen, weswegen es so große Freude gemacht hat, die deutschen Texte zu verfassen. [...] Das war einfach eine runde Sache – und umso mehr freut es mich, dass «Zombieland» so etwas wie ein moderner Klassiker geworden ist.
Tobias Neumann
Gemeinhin stimmt Neumann dem häufig genannten Sentiment zu, dass die Komödie das am schwersten in eine andere Sprache zu übertragende Genre sei – und dennoch nennt er eine Komödie als eines seiner Lieblingssynchronbücher unter den eigenen Arbeiten: "«Zombieland» war mein erstes Synchronbuch für's Kino, und da hat einfach alles gestimmt: Der Humor in dem Film entspricht meinem eigenen, weswegen es so große Freude gemacht hat, die deutschen Texte zu verfassen. Das Handeln der Hauptfigur ist auch für den deutschen Zuschauer gut nachvollziehbar, weshalb es recht einfach war, sie einzudeutschen. Und Horror- sowie speziell Zombiekomödien sind eh ein Genre, das ich sehr mag. Das war einfach eine runde Sache – und umso mehr freut es mich, dass «Zombieland» so etwas wie ein moderner Klassiker geworden ist."

Neumanns erstes Synchronbuch ist thematisch verwandt mit «Zombieland» – es handelt sich dabei nämlich um die Horrorkomödie «Blood Feast 2: All U Can Eat» von Herschell Gordon Lewis, eine als Heimkinopremiere ausgewertete, späte Fortsetzung des Ur-Splatters «Blood Feast». Neumann blickt ebenso stolz wie amüsiert auf sein Synchronbuchdebüt zurück: "Der ist extrem blutig, da werden die Leute reihenweise ausgeweidet", denkt er mit einem Lachen zurück, um im selben Atemzug begeistert zu erläutern, dass H. G. Lewis mit dem Vorgänger im Jahr 1963 ja quasi das Splatterkino begründet hat. Nach «Blood Feast 2», dessen deutsche Fassung Neumann 2005 textete, woraufhin der Film jedoch noch zwei Jahre auf seine hiesige Veröffentlichung warten musste, "folgten erst einmal zahlreiche billige Horrorfilme für den DVD-Markt. Denn das ist ein Genre wo man, sagen wir mal freundlich, auch als Texter ohne größere Erfahrung wenig kaputtmachen kann."

Neumanns Anfänge im Synchronbereich liegen jedoch weiter zurück als «Blood Feast 2»: Als Kind sprach er vereinzelte Synchronrollen ein. Dann kamen erst andere Interessen und später das Studium dazwischen. An eine Rückkehr ins Synchrongeschäft dachte er damals nicht. "Ich hatte nicht vor, eine Schauspielausbildung abzuschließen, wollte aber auch nicht ohne hinters Mikro zurück. Also habe ich mit diesem Kapitel abgeschlossen." Während des Studiums der Geschichtswissenschaft und der Germanistik hat Neumann jedoch wieder zur Branche zurückgefunden. "Ich habe auf Lehramt studiert, dann überlegt, an der Uni zu bleiben und dort eine Stelle zu suchen. Ich habe gemerkt, dass ich mein Leben damit verbringen will, etwas zu schreiben und regelmäßig Texte zu produzieren." Irgendwann kam die Idee: "Da ich als Student viel Zeit damit verbracht habe, Serien und Filme zu schauen, habe ich die alten Kontakte rausgesucht und gefragt, ob ich nicht für Synchronisationen Texte schreiben kann …"

Ähnlich wie ihm ergeht es einigen Synchronbuchautorinnen und -autoren, selbst wenn es bei weitem keinen normierten Weg in dieses Metier gibt. Da es kein Ausbildungsberuf ist, gibt es in diesem Bereich zahlreiche Quereinsteigende, die auf den verschiedensten Wegen ihre ersten Berufserfahrungen sammeln. Seit wenigen Jahren gibt es für Interessenten zudem Synchronbuch-Workshops, die der Synchronverband e.V. – Die Gilde veranstaltet., bei denen innerhalb von zwei Wochen Novizen von erfahrenen Synchronschaffenden an diese Arbeit herangeführt werden. "Wer daran teilnimmt, muss nicht die Horror- und Trash-Schule durchlaufen, wie ich es musste", erklärt Neumann, der Mitglied im Synchronverbands ist.
Es gibt Filme, da lässt sich an einer Stelle ein Gag partout nicht genauso lustig auf Deutsch liefern wie im Original. Und dafür bietet sich aufgrund der Situationskomik oder der sprachlichen Möglichkeiten in unserer Sprache an anderer Stelle ein etwas stärkerer Witz an. Ich finde, dass es bei Komödien absolut angebracht ist, so etwas auszunutzen, damit der Film unterm Strich in beiden Fassungen gleich lustig ist.
Tobias Neumann

Was Synchronbuchautorinnen und -autoren sich allerdings über viele Jahre erarbeiten müssen, ist ein sprachliches Bauchgefühl. Gerade bei Komödien sei das wichtig. "Es gibt Filme, da lässt sich an einer Stelle ein Gag partout nicht genauso lustig auf Deutsch liefern wie im Original. Und dafür bietet sich aufgrund der Situationskomik oder der sprachlichen Möglichkeiten in unserer Sprache an anderer Stelle ein etwas stärkerer Witz an. Ich finde, dass es bei Komödien absolut angebracht ist, so etwas auszunutzen, damit der Film unterm Strich in beiden Fassungen gleich lustig ist – selbst wenn sich die Lacher etwas anders verteilen." Die von den Verleihern beauftragten Supervisor sehen das laut Neumann nicht immer so.

Wer Donner isst, muss Blitze ausscheiden


Ich habe vollstes Verständnis, dass die Studios hohe Sicherheitsmaßnahmen treffen, um ihre Filme vor Raubkopien zu schützen. Mittlerweile gibt es Filme, mit denen ein ganzes Geschäftsjahr steht und fällt.
Tobias Neumann
Synchronschaffende müssen zudem um etwas ganz anderes kämpfen: Ein gesundes Mittel zwischen Sicherheitsvorkehrungen und guter Arbeitsvorlage. "Ich habe vollstes Verständnis, dass die Studios hohe Sicherheitsmaßnahmen treffen, um ihre Filme vor Raubkopien zu schützen. Mittlerweile gibt es Filme, mit denen ein ganzes Geschäftsjahr steht und fällt." Gelegentlich kommt es daher vor, dass Filme dem Synchronteam komplett geschwärzt vorgelegt werden, und nur die Münder der Figuren zu sehen sind, die gerade sprechen.
"Das ist der Super-GAU, wir müssen natürlich sehen können, was wir da übersetzen sollen", führt Neumann aus. "Zum Glück hat die Anzahl der Produktionen mit solchen Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren eher abgenommen. Statt des völlig geschwärzten Bildes gibt es dann zumindest meist einen Milchglas-Effekt, durch den man wenigstens die groben Bewegungen erkennen kann. Das ist schon hilfreich, weil es besonders in actionreichen Filmen Phrasen gibt, die je nachdem, was eine Figur da gerade macht, sehr unterschiedlich übersetzt werden müssen." In anderen Fällen, "werden uns Filme auch einmal in einer 'freien' Version, ohne Verfremdungseffekte, unter großen Sicherheitsmaßnahmen im Kino vorgeführt. Das sorgt dann bei vielen Passagen für Klarheit."

Und bei Produktionen, wo dies nicht möglich ist? "Im Zweifelsfall biete ich dann einfach mehrere denkbare Versionen an und dann wird in der Mischung der Synchronfassung zum freien Bild entschieden, was am besten passt. So etwas ist zum Glück eher selten der Fall. Das sind keine idealen Arbeitsbedingungen, und das wissen die Studios. Sie erkennen, dass sie eine gute Synchro ermöglichen müssen, damit ein Projekt gute Chancen auf dem deutschen Markt hat."

Ich bin mit den «Star Trek»-Serien aufgewachsen, habe sie mir teils viele Male angesehen. Als ich erfahren habe, dass für «Star Trek: Discovery» jemand gesucht wird, habe ich mich prompt ins Spiel gebracht – und es hat geklappt.
Tobias Neumann
Um das zu gewährleisten, bekommen Synchronteams bei vielen Produktionen zum Glück mit ausreichend großem Vorlauf Material zur Verfügung gestellt. Im Serienbereich betreut Neumann seit einigen Monaten ein Franchise, das ihm am Herzen liegt: "Ich bin mit den «Star Trek»-Serien aufgewachsen, habe sie mir teils viele Male angesehen. Als ich erfahren habe, dass für «Star Trek: Discovery» jemand gesucht wird, habe ich mich prompt ins Spiel gebracht – und es hat geklappt", freut er sich. Nicht zuletzt, weil bei wichtigen Franchises die Verantwortlichen gezielt ein Synchron-Kreativteam zusammenstellen, das über großes Vorwissen verfügt. Insofern ist es für einen Fan eine Art Ritterschlag, die Synchro mitgestalten zu dürfen. Und mit dieser großen Aufgabe kommen auch große Privilegien: Neumann sieht die Episoden Wochen vor der Weltpremiere – in Schwarz-Weiß, mit Wasserzeichen versehen, ohne Effekte und teils mit sehr grober Schnittarbeit.

Auch wenn in den vergangenen Jahren in der Diskussion um Synchronfassungen kritische Stimmen zugenommen haben, sieht Neumann die Entwicklung jedoch insgesamt positiv: "Meines Erachtens nach sind sie in den letzten Jahrzehnten grundsätzlich immer besser geworden. Die technischen Fortschritte erlauben immer synchronere Aufnahmen und durch die besseren Recherchemöglichkeiten und Qualitätssicherungsmaßnahmen der Verleiher und Redaktionen unterlaufen weniger Übersetzungsfehler."

Meines Erachtens nach sind sie in den letzten Jahrzehnten grundsätzlich immer besser geworden. Die technischen Fortschritte erlauben immer synchronere Aufnahmen und durch die besseren Recherchemöglichkeiten und Qualitätssicherungsmaßnahmen der Verleiher und Redaktionen unterlaufen weniger Übersetzungsfehler.
Tobias Neumann
Die Synchrovergangenheit holt trotzdem gelegentlich die Synchrogegenwart ein – wie eine Anekdote Neumanns zeigt: "Vor kurzem habe ich das Synchronbuch zu einem Film geschrieben, in dem es im Original eine Anspielung auf ein berühmtes Zitat aus «Rocky» gibt: 'You're gonna eat lightnin' and you're gonna crap thunder!' Diese Hommage zu ins Deutsche zu retten, ist in diesem Fall ein Problem. Denn in der «Rocky»-Synchro wurde diese Passage vollkommen anders übersetzt." Neumann stutzt: "Offenbar wollte man den Leuten in den 70ern nicht so viel Vulgäres zumuten und hat die ganze Rede, die auf diesen Satz hinleitet, vollkommen verformt: 'Denk daran, wo du herkommst. Von ganz unten. Und nun klopfst du am Stuhl von Mister Universum. Nimm allen Mut zusammen und stoß ihn herunter.' Das hat nichts mehr mit dem Original zu tun und ist hierzulande auch bei weitem kein weitläufig bekanntes Zitat geworden – und es passt überhaupt nicht zu der Filmszene, an der ich sitze. Da werde ich mir etwas einfallen lassen müssen ..."
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16.04.2018 14:26 Uhr Kurz-URL: qmde.de/100313
Sidney Schering

super
schade

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Es gibt 5 Kommentare zum Artikel
torsten.partenheimer
17.04.2018 01:26 Uhr 3
Am befremdlichsten finde ich das der freiwillig zugibt das er an diesem Mist mitgearbeitet hat und scheinbar noch stolz darauf ist.
KeinZufall
17.04.2018 11:06 Uhr 4
toller artikel! war sehr interessant!
Anonymous
17.04.2018 15:13 Uhr 5


Danke sehr! Wir hatten zuletzt schon zwei Synchro-Artikel und der nächste ist in der Pipeline. :)
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